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Ein musikalisches Fest
im Forstbotanischen Garten Eberswalde
28. und 29. Juli 2006
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Freitag, 28. Juli, 21 Uhr
Wu Wei + Gert Anklam + Uli Moritz (China, D) Berlin-Shanghai: Dialog der Klänge
Wu Wei (sheng, erhu, bahu) Gert Anklam (saxophone, sheng) Uli Moritz (perc)
Die Sheng, eines der ältesten Musikinstrumente Chinas und das älteste bekannte Blasinstrument, auf dem sich mehrere Töne gleichzeitig spielen lassen, wird häufig wegen ihres Aussehens auch als "Mundorgel“ bezeichnet. Einer der ganz großen Meister auf diesem Instrument ist der 1970 geborene Wu Wei, welcher bereits mit 23 Jahren, als er Sheng-Solist im berühmten Orchester für klassische Musik in Shanghai wurde, schon alle einschlägigen nationalen und internationalen Preise erhalten hatte. Zu seinen langjährigen musikalischen Partnern gehören Ulrich Moritz und Gert Anklam. Trommler Uli Moritz ist durch seinen individuellen Stil und mit seinem einzigartigen Perkussions-Instrumentarium ein überaus gefragter Musiker im Grenzbereich von Jazz, Pop, Improvisation und Weltmusik. Gert Anklam wiederum, ist insbesondere bekannt geworden durch seine außergewöhnlichen
Solo-Konzerte auf dem voluminösen Baritonsaxophon. Ein spannender Dialog der Klänge zwischen
unterschiedlichen Kulturen und Zeiten. Wei Wu Gert Anklam
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Sonnabend, 29. Juli, 17 Uhr
Cool Breeze (GB/Ghana/D) Skalypso Music
Isaac Affreh (voc, perc) Stefan Büttner (tp) Katharina Heldt (as) Michael Holder (tp) Phillip Domke (tb) Alexander Presber (voc, git) Daniel Rau (bass) Marco Pompe (perc) Christian Rau (drums)
Afroskalypso Now! Die neunköpfige Berliner Band euphorisiert ihre wachsende Fangemeinde mit Ska,
Calypso und afrikanischen Rhythmen. Neben Eigenkompositionen bringt die vor sechs Jahren vom
englischen Tenorsaxophonisten Michael Holder gegründete Band auch große Ska- und Calypsoklassiker
wieder auf die Bühne, darunter alte und zum Teil vergessene Songs. Mit viel Liebe zum Detail feiert und
interpretiert die Band Titel von Slinger Francisco, Lord Kitchener, Tommy Mc Cook und The English Beat.
Cool Breeze-Sänger seit zwei Jahren ist Isaac Affreh aus Ghana. Seine Kompositionen und Performances
haben den unverwechselbaren afrikanischen Klang der Band geprägt. Cool Breeze
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REZENSION
Musikalische Weltreisen
Exotische Klänge im Fortbotanischen Garten Eberswalde
Der Regen kam als prasselnder Stereoeffekt von links. Die Zuschauer flüchteten unter Schirme, Verkaufspavillons und das Bühnendach, wo sie Wu Wei, Gert Anklam und Uli Moritz fortan aus nächster Nähe beim Musizieren zusahen. Gemeinhin ist das Wetter bei Freiluftveranstaltungen ein unwägbarer Risikofaktor. Bei "Purpur", dem musikalischen Fest im Forstbotanischen Garten Eberswalde, ist es Bestandteil des offenen Konzepts: Anfangen und abwarten, was passiert.
Am Freitagabend war der idyllische Park am Rande der Stadt Ausgangspunkt einer musikalischen Fernostreise. Der Chinese Wu Wei spielte die Sheng, eines der ältesten Musikinstrumente Chinas. Es sieht aus wie eine Miniatur des Turms von Babel, rundum bestückt mit Orgelpfeifen. Europäischen Asienurlaubern ist dortzulande meist nichts so fremd wie die für hiesige Ohren sperrige Musik. Wu Wei aber spielt sein Instrument, als sei er der deutschen Romantik verfallen. Lyrisch, oft sogar elegisch entströmen der Mundorgel die Klänge. Sie erinnern an Harmonium, Mundharmonika oder Kirchenorgel. In einem behutsamen Aufeinandereingehen wird die kleine Königin der Instrumente eingebettet durch Gert Anklam mit warmem Saxophonspiel und Uli Moritz mit filigraner Percussion. Höhepunkte erlebt das Publikum immer dann, wenn auch Anklam zu Sheng greift und die Töne aus beiden Mundorgeln förmlich ineinander fließen, während Moritz mit den Filzstöcken auf der Marimba einen warmen Rhythmus webt.
Der 36jährige Wu Wei hat Virtuosität auf der Sheng an der Kunstakademie von Nanjing sowie als Meisterschüler am Konservatorium von Shanghai erlangt. Mit einem Künstlerstipendium des DAAD kam er 1995 an die Berliner Musikhochschule Hanns Eisler, wo er seinen musikalischen Horizont durch das Studium der westlichen Jazztradition erweiterte. Im Jahr 2000 spielte er mit den Berliner Philharmonikern unter Kent Nagano vor 20.000 Zuhörern auf der Berliner Waldbühne. Längst ist er international ein vielgefragter Musiker, dessen Ausdrucksspektrum von Jazz über Folk bis Neuer Musik reicht.
Die in Eberswalde von ihm und seinen Begleitern gespielte Musik ist schwer zu beschreiben, dafür in hohem Maße assoziativ. Zumal an diesem Ort: Die Bühne steht auf einer Lichtung, umgeben von alten, hohen Bäumen. Über den Park verteilt sorgen mannshohe Stoffsäulen, gefüllt mit pastellenem Licht, für eine märchenhafte Anmutung. Scheinbar wütend zirpen die Grillen gegen die Störung an, Kinder flüstern, Weingläser klingen, Donner grollt, aus der Ferne bellen Hunde. Der Luftdruck an diesem Abend trägt den ratternden Sound der Züge nach Berlin oder Stralsund ganz nahe heran als auf- und abschwellende Stereoeffekte von links oder rechts. Auf- und abschwellen auch die Klänge der Sheng, erzeugt in einem gleichmäßig meditativen Luftstrom beim Aus- und Einatmen. Das Weltmusikfestival "Purpur" liegt traditionell am letzten Juliwochenende, dann, wenn in Brandenburg Ferienhalbzeit ist. Es ist damit auch ein Fernwehtröster für alle, die nicht wegkönnen oder schon wieder zurück sind. Die Sehnsucht an diesem Abend ist genauso groß wie die Gewißheit, daß es anderswo nicht schöner sein kann als hier.
Am folgenden Nachmittag, nun wieder im Trockenen, steht ein dunkelhäutiger Sänger aus Ghana auf der Bühne und verkündet, nicht ganz akzentfrei: "Ich bin Pankower!" Der kurzbehoste Saxophonist aus England neben ihm behauptet das auch und die restlichen sieben Musiker nicht minder. Zu erleben gibt es eine weitere Schöpfung der musikalischen Globalisierung, die polyglotte Band "Cool Breeze". Sie spielen Ska und Calypso, Eigenes und Nachgemachtes und wie bei der Produktion eines elektrischen Rasierapparates scheinen viele Ecken dieser Welt ein Stück beigefügt zu haben. Der Nationalmannschaft von Trinidad & Tabago widmet "Cool Breeze" einen WM-Song, Silvio Berlusconi einen Abschiedsmarsch. Der eigenen Ausstrahlung widmen sie sich leider zu wenig. Zu sehr nach Ambient Music, nach Entspannung und Feierabend klingt, was doch eigentlich Kraft und Feuer haben könnte. Das Team von Trinidad und Tobago ist vorzeitig nach Hause gefahren und Berlusconi abgewählt worden. Aber wir haben den Sonntag doch noch vor uns und den halben Sommer sowieso.
Thomas Melzer in der Märkischen Oderzeitung vom 31. Juli 2006
Fotos: Thomas Burkhard, Steffen Bohl
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Alle Konzerte finden open air im Forstbotanischen Garten (über den Haupteingang Am Zainhammer) statt.
Kartenvorverkauf: Eberswalder Tourist Information, Steinstr. 3, T: 03334-64520
purpur - ein musikalisches Fest im Forstbotanischen Garten Eberswalde
wird vom Begegnungszentrum Wege zur Gewaltfreiheit e.V. in Kooperation mit dem
Forstbotanischen Garten veranstaltet. Programm und Gesamtorganisation: Udo Muszynski
Konzerte + Veranstaltungen, T: 0177-3076684 udo.muszynski@t-online.de und
www.mescal.de/muszynski. Plakat, Programmheft, Homepage:
Carsten Storm www.carstenstorm.de. Sound: Andreas Gläßer, Licht: Henrik Schade. Mit freundlicher Unterstützung durch: Stadt Eberswalde, Landkreis Barnim, Globus Naturkost & Naturwaren und Fachhochschule Eberswalde.
Rückblicke:
Garagensommer 2000
Purpur 2001
Purpur 2002
Purpur 2003
Purpur 2004
Purpur 2005
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