jazz in e.

Ein Festival aktueller Musik. Jedes Jahr zu Himmelfahrt. In Eberswalde.

Rezensionen 2005


(Jazz in E. - 11. Eberswalder Jazztage 2005)
Der Jazz lebt in Eberswalde - Duo Sauer/Wollny eröffnete elftes Festival "Jazz in E."

Von Thomas Melzer
Die Kölner Jazzszene blicke neidvoll auf das Eberswalder Festival, hatte der Vibraphonist Christopher Dell vor Monatsfrist gesagt, als er zur Eröffnung einer Jazzplakate-Ausstellung vom Rhein an den Finowkanal gereist kam. Am Mittwoch begann die 11. Auflage von "Jazz in E."und allein diese Tatsache ist bemerkenswert, weil heutzutage Renomme und Tradition einer solchen Veranstaltung noch lange nicht zu öffentlichem Denkmalschutz führen. Not macht erfinderisch, bei der Finanzierung ohnehin. Vor allem aber stellt sie immer wieder die Frage nach Wert und Sinn eines Kleinstadtfestivals, das Mainstream-Hörgewohnheiten nicht bedienen kann und will. "Jazzmusik ist harte Arbeit, die das Leben leichter macht", hatte Christopher Dell dazu angemerkt. Die - in jeder Hinsicht - finale Antwort auf die Sinnfrage muß das Festival jedoch selbst geben, so wie es jedes seiner Vorgänger getan hat. Das macht "Jazz in E." so fragil, vor allem aber so lebendig. Daß Jazzmusik harte Arbeit ist, lassen sich Heinz Sauer und Michael Wollny nicht anmerken. Sie führen Gespräche mittels Saxophon und Flügel, und das mit einer Neugier aufeinander, die zu erleben bereits Freude ist. Beide trennen 46 Lebensjahre, Sauer wurde in einer vielbeachteten Publikation kürzlich im "Jazz-Olymp der Tenorsaxophonisten" verortet, im Spiel des jungen Wollny glaubt man den frühen Keith Jarrett herauszuhören. Ihre balladesken Miniaturen bestehen zu 40 Prozent aus festen Strukturen - Eigenkompositionen ebenso wie Takten von Ellington, Monk oder Holiday -, der Rest ist freie Konversation. Gerät die in eine Sackgasse, brechen sie ein Stück schon mal nach 2 Minuten ab. Im Eberswalder Sparkassenforum - der neue Festivalsponsor wollte mit dem Heimrecht für das Auftaktkonzert ein Zeichen setzen - zog das Konzert die Zuhörer zunehmend in den Bann. Sah man anfangs noch Zeigefinger über Oberlippen als skeptische Pose, floß die Energie bald ungehindert zwischen Bühne und Auditorium hin und her. Raus aus alten Strukturen, frei machen in Kopf und Herz, offen sein für neues, auch wenn es nicht leicht fällt: das war an diesem Abend die überzeugende Antwort auf die "Jazz in E."-Sinnfrage. Gegeben in der Schalterhalle eines Geldinstituts erhielt sie sogleich noch eine allegorische Dimension. Befürchtungen, das Festival könnte an diesem Ort seine Seele beleihen, erwiesen sich als unbegründet. Im nächtlichen Kneipengespräch mit dem ehrenamtlichen Festivalteam wandten sich die beiden Musiker den praktischen Lebensfragen zu: Wie ging es mit dem Rechtsextremismus in Eberwalde nach Amadeu Antonio weiter, wollte Wollny wissen, und Sauer, was aus der Eberswalder Brauerei geworden sei. Offen für neues gibt sich auch das Festival selbst. Am Donnerstag wurde erstmals ein Jazzfilm gezeigt, "Der frühe Vogel fängt den Wurm" von und mit Helge Schneider. Die beiden großen Festivalabende finden im neuen Wald-Solar-Heim statt. Dessen Saal wirkt wie maßgeschneidert für "Jazz in E.", Fluidum und Atmosphäre sind großartig. Heute abend spielt hier "Olaf Ton", eine fünfköpfige Band aus Berlin, die zuletzt während des 27. Internationalen Jazzfestes in Leipzig das Opernhaus aufmischte. Danach werden "Novotnik 44" auf der Bühne stehen, deren Jazzmusik sich aus internationaler Volksmusik nährt. Zum Abschluß des Festivals gibt es am Sonntagvormittag den traditionellen Jazzfrühschoppen für die ganze Familie im Weinkontor in der Alten Ofenfabrik, diesmal mit Swing von Berlins kleinster Big-Band "Night Train".

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