jazz in e.

Ein Festival aktueller Musik. Jedes Jahr zu Himmelfahrt. In Eberswalde.

Rezensionen 2002


Märkischen Oderzeitung / 1. Juni 2002
Bach in der Kuba-Bar
Markus Burger und Jan von Klewitz eröffneten mit ausgefallenen Variationen die 8. Eberswalder Jazztage
Johann Sebastian Bach und Jazz? "Ich steh an Deiner Krippen hier" und Rasseln im Sieben-Viertel-Rhythmus? Klingt unvereinbar und doch so harmonisch, wenn diese abstrakten Kombinationen konkret werden im Spiel des Pianisten Markus Burger und des Saxophonisten Jan von Klewitz. Das Duo eröffnete in der Eberswalder St. Georgs-Kapelle die achte Ausgabe der Jazzfesttage "Jazz in E.". Burgers Töne aus dem Flügel verstecken sich hinter Glockenklängen, Glockenscheppern, Glockenschellen. Behutsam lösen sie sich, klingen abseits der Glocken, sie gewinnen an Kraft. Erst jetzt schimmert vorsichtig eine Melodie hervor - eine Melodie, die tief im Herzen des Zuhörers verborgen liegt, aber womöglich schon lange nicht mehr in seinem Ohr widerklang: Bachs "Jesus bleibet meine Freude" aus der Kantate 147. Vertraut erscheint die Melodie, ungewohnt sind Töne und Rhythmus, mit denen sie daher kommt. Und doch: Bachs Musik wird nicht zertrümmert, ihre Kraft geht nicht verloren. Wenn Klewitz sich von den mächtigen Akkorden des Flügels treiben läßt bis zur Atemlosigkeit, wenn Burger die Töne des Flügels - so scheint es - dem Himmel entgegen tanzen läßt, begleitet von Schellen, die der Engel Fußschellen sein könnten, dann ist das mehr ein Lobpreisen mit den Mitteln der Improvisation, die sich gerade zufällig mit Bachs Chorälen auseinandersetzt. Das Spiel verharrt dabei nicht andächtig vor den Melodien Bachs. "Ich steh an Deiner Krippen hier" klingt mehr nach Jazz-Keller oder Kuba-Bar als nach Kirchensaal. "Maria durch den Dornwald ging" etwa entwickelt Gassenhauer-Qualitäten". Manchmal übernimmt reiner Rhythmus die Führung. Er schwingt hinüber vom Flügel zu Klewitz oder behauptet so hartnäckig das Feld, daß das Saxophon dem Gleichklang nicht Herr wird -erst Burger selbst bricht aus. Befreit feiern beide die Melodie dann etwa mit Variationen von "kommet Ihr Hirten". Alles Getragene fällt ab und das Weihnachtslied erinnert an Frühling, Sonne, grüne Wiesen. Erinnerungen spielen eine große Rolle des gebürtigen Wittlichers (Rheinland-Pfalz) Burger und des in Zagreb geborenen Diplomatensohnes Klewitz. "Bachs Musik ist die Musik meiner Kindheit", sagt Klewitz. Der 38jährige wohnt in Berlin und weiß, wie schwer es für europäische Musiker ist, im von Amerikanern dominierten Jazz-Markt Anerkennung zu finden. Dabei möchte er die Quellen der eigenen musikalischen Tradition nutzen und nicht immer auf die amerikanischen Gründerväter des Jazz zurückgreifen. Und so findet der Enkel des berühmten Pfarrers und Hitlergegners Martin Niemöller seinen eigenen Urvater des Jazz: "Bach war einer der ersten Jazzmusiker". Burger ergänzt, daß vieles der Musik von Bach, die wir heute kennen, Mitschriften sind, sie Schüler gefertigt haben, während der Meister spielte und improvisierte. Jetzt improvisieren Burger und Klewitz zu seinen Stücken. Direkt und wenig konstruiert soll das klingen. Die Musik ist nicht elitär, sie sucht sich ohne große Umwege über den Intellekt direkt die Seele des Zuhörers. So schafft sie das, was dem 35jährigen Burger wichtig ist: Sie gibt Kraft. Kennengelernt haben sich der Pianist und Saxophonist 1989 in der Landesjugend-Bigband Rheinland Pfalz. Mit ihrem ersten Album "Spiritual Standards" schafften sie es als zwei der wenigen deutschen Jazzer in die Deutaschen Jazzcharts auf Platz 19. Ihr eingängiger und klarer Stil begeistert jedoch nicht nur das Jazz-Publikum in ganz Deutschland, auch in Eberswalde gewann er die Zuhörer für sich. Jan von Klewitz war nicht zum ersten Mal bei den vom Eberswalder Begegnungszentrum, den Kulturämtern Eberswalde und des Kreises Barnim veranstalteten Jazzfesttagen zu Gast. Der Jazz mit europäischer Tradition hat hier viele Freunde. (Nadine Voß)

top
zur Übersicht