jazz in e.

Ein Festival aktueller Musik. Jedes Jahr zu Himmelfahrt. In Eberswalde.

Rezensionen 2000


Märkische Oderzeitung / 14. 6. 2000
Muszynski setzte mit Jazz in E. erneut Maßstäbe
Kulturradio von SFB und ORB zeichnete Teile der Konzertreihe auf / Sendung im Sommer geplant
...... Die Ankündigung eines Schallplattenkonzertes für das darauffolgende Konzert ließ zunächst Musik aus der Konserve erwarten. Doch Claus van Bebber, vom Niederrhein an die Schwärze gereist, benutzte die sechs Plattenteller als Musikinstrument. Mit harmonischen Scretchs zauberte er am Mixer aus einzelnen Tonsequenzen thematische Collagen. Immer wieder wurden die ausgesuchten Schallplatten in die richtige Umdrehung gebracht, von Hand und per präparierter Geräte. Das Musik- und Seherlebnis begeisterte das Auditorium sofort. Dann lief die Nadel, dank aufgestellter Hämmer (!), rhythmisch in ein und derselben Rille, erst im Herztakt, dann dynamischer bis hin zur perfekten Rhythmusmaschine. Das dritte Werk steigerte sich schließlich zu apokalyptischer Dynamik, um dann mit entfernten Glocken auszuklingen. Anhaltender Applaus für den "Schallplattenunterhalter", doch die enge Bühne mußte geräumt werden, denn die Kölner Band Wollie Kaiser Timeghost trat in fünfköpfiger Besetzung ins Rampenlicht. Alte Jazzfreunde freuten sich schon auf den lautstarken Wollie, der, nun völlig neu in Besetzung und Programm, die bezaubernde Stimme von Irene Lorenz neben sich postierte. Er liebt die akustisch-technischen Experimente mit seinen Saxophonen und Klarinetten, sie hingegen die melodiösen Texte längst vergangener Klassiker der 60er und 70er Jahre. Der Jüngste, Martell Beigang am Schlagzeug, katapultierte mit euphorischem Trommelwirbel die Werke von "Small Faces" ins Jahr 2000. Immer wieder entluden sich nach Einzelparts der so verschiedenen Musiker im Publikum Begeisterungsszenen. Und je länger das noch junge Ensemble spielte, desto mehr Freude und Gemeinsamkeiten fanden die Musiker und die grazile Sängerin. Nach zwei Zugaben war klar: Wollie Kaiser Timeghost haben sich mit dem Zeitgeist durchaus positiv weiterentwickelt. Vibes stand über der Samstagnacht. Und tatsächlich bildete das Vibraphon, einschließlich des ihm verwandten Marimbaphons, die zentrale Klammer des Abends. Das Instrument war in drei völlig verschiedenen Bandkonstellationen zu erleben. Den Einstieg übernahm das sich sehr auf ihr Handwerk konzentrierende österreichische Duo "Framework". Die Ergebnisse der musikalischen Erfahrungen von Vibraphonist Roland Neffe und Gitarrist Martin Koller sind hörenswert, wenn auch eine lockere Improvisation die Stimmung noch hätte steigern können. Dann gönnte sich Eberswalde das äußerst seltene Vergnügen eines Duos zweier Vibraphonisten. Franz Bauer, später noch mit eigenem Quintett auf der Bühne, trat zu Roland Neffe, und ihr Programm mit Marimbaphon und Vibraphon wurde erstmals öffentlich vorgestellt. Mit melodiösen, warmen Stücken gewannen sie die Gäste für sich. Für eine Premiere haben sie sich außergewöhnlich viel Raum gelassen und ihn auch erfüllt. Das Franz Bauer Quintett schließlich, vereint hochmotivierte junge Musiker mit viel Spaß an der Sache. Ihre Qualitäten zeigten die Musiker in zahlreichen Soli an Schlagzeug, Trompete, Bass, Vibraphon und Saxophon, und es war ein reiner Genuß zwischen europäischer Musik und dem American Jazz. Traditionell ereignet sich im lauschigen Hinterhof des Quartiers No. 7 in Eberswalde ein besonderes Event: Der Jazz-Frühschoppen in E. mit Sonne und Kirschbaum. Das Antje Uhle Trio in Berliner Besetzung weckte mit erfrischenden Stücken die durchnächtigte Jazzgemeinde in einen herrlichen Sonntag. Die junge sympathisch-selbstbewußte Pianistin entzückte durch musikalische Brillianz, Tempo und Phantasie. Daß sie damit nicht nur ihre Begleitung, Andreas Henze am Bass und Michael Griener am Schlagzeug für sich gewann, ist wohl kaum zu erwähnen. Die Begeisterung der breit gefächerten Zuhörer sprang auf das Trio über, sie spielten sich die Solos zu, verlängerten den schönen Augenblick durch herrliche Improvisationen. Und daß ein Piano auch als Zupfinstrument bespielbar ist, haben die Jazzfreunde auch dazulernen können. Einige Zugaben wurden diesem zukunftsträchtigen Projekt abverlangt, bis dann die lange Zeit des Wartens auf die 7. Eberswalder Jazztage anfing. (Steffen Bohl)

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