jazz in e.

Ein Festival aktueller Musik. Jedes Jahr zu Himmelfahrt. In Eberswalde.

Rezensionen 2008


Märkische Oderzeitung / 2. Mai 2008
Das Jazzparlament tanzte - 14. Festival “Jazz in E.”
im Paul-Wunderlich-Haus eröffnet

Von Thomas Melzer
Dass die Jazzpolizei, von der viele glaubten, sie wache über die stilistische Reinheit von „Jazz in E.“, doch nur Legende ist, wurde am späten Mittwochabend deutlich, als Festivalchef Udo Muszynski ausgelassen zum Schlager „Sag mir quando, sag mir wann“ tanzte. Noch am Nachmittag hatte es im Paul-Wunderlich-Haus eher nach „Stress in E.“ ausgesehen, als die erwarteten Berliner Pianotransporteure vermeldeten, in ihrem Haus sei der Lift kaputt und ob man den bestellten Flügel bis zum Abend liefern könne, wisse man nicht. Doch dann ging wieder einmal alles gut, nur wenige Plätze waren im gediegen umdekorierten Saal freigeblieben, als das Bühnenlicht für das 14. Festival anging und die vollständigen Instrumente für das Auftaktkonzert beleuchtete: Flügel und Schlagzeug. Bevor Magda Mayas und Tony Buck daran Platz nahmen, holte sich Udo Muszynski den ersten heftigen Beifall ab. Stadt, Landkreis und Sparkasse Barnim bedankten sich bei ihm für seine Verdienste um das lebendige Eberswalder Kulturleben, das Publikum tat applaudierend Sympathie hinzu.
Dabei wurde es ihm mit den folgenden Klängen einmal mehr nicht leicht gemacht. Mayas und Buck vertonten live den 1928 in Moskau, Kiew und Odessa gedrehten Dokumentarfilm „Der Mann mit der Kamera“ von Dziga Vertov. Mayas griff scheppernd, klingelnd und klimpernd in die Saiten; die Tasten des Flügels nutzte sie nur selten. Buck ließ sein Schlagwerk überwiegend knarren, kratzen und ächzen. In der langen Zeit seit dem letzten Jazzfestival waren vielen Konzertbesuchern wieder Watte und Zucker in die Ohren gewachsen, die erst einmal durchgepustet werden mussten. Gebannt wurde man in dieser Anfangsphase so vor allem durch die wunderbaren Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Filmes. Alltagsbeobachtungen aus einer Zeit, die mangels bewegter Bilder in unserer Vorstellung als statisch und freudlos verbucht ist, überraschten mit Lebendigkeit: Im Landes Lenins herrschte offenbar ein bislang nicht vermutetes pulsierendes Leben. Je stärker „Der Mann mit der Kamera“ an Fahrt gewann, geriet auch die improvisierte Musik vor der Leinwand dynamischer. Bald verwuchsen Bilder und Klänge zu einem Ganzen, einem auch sinnlichem Erlebnis. Danach wurden die Stühle aus dem Saal geräumt. Die bezaubernde Iris Romen und ihre Ballhausband brachten das Jazzparlament umgehend zum Tanzen.

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